Father-Brown

 

Drastische Beispiele früherer Übersetzungen

 

Was die Qualität der früheren Übersetzungen angeht, erscheint es sinnvoll, einige besonders drastische Beispiele etwas genauer zu untersuchen, damit - hoffentlich! - der Weg zu einer neuen und zutreffenderen Bewertung der literarischen Bedeutung Chestertons von den verzerrenden Überwucherungen wenigstens einigermaßen befreit werden kann.

Die 4 wichtigsten Kriterien einer Übersetzungskritik dürften sein:

  1. Ist es gelungen, den Originalton des Autors einigermaßen zu treffen?
  2. Sind seine geistigen, bildlichen und sprachlichen Bewegungen wenigstens annähernd erkennbar geblieben?
  3. Ist die Verzahnung des Plots mit der Sprache, der sprachliche Plot sozusagen (zu dem durchaus auch Rechtschreibe- und Interpunktionseigenheiten gehören können), in vertretbarer Weise übermittelt worden?
  4. Und schließlich und letztens: Gibt es lexikalische Fehler in bedeutender Menge und von einer Art, die Plot, Argumentation, Stimmung usw. des Originals beschädigt?

Um mit dieser letzten und an sich bedeutungslosesten Frage zu beginnen, sei hier eine kleine Blütenlese aus der besonders unbefriedigenden Übersetzung Father Browns von Alfons Rottmann (die Geschichten 4-12, Father Browns Weisheit) gegeben, der zudem beliebig Halb- und Ganzsätze ausließ und darüber hinaus Chestertons farbiger und bewegter Sprache mit seinem farblosen und unbewegten Deutsch einen noch böseren Tort antat:

Offiziere, die sich "in the same mess" kennengelernt haben, taten das in der Offiziersmesse, dem Kasino der gleichen Garnison, und nicht "auf der Militärakademie".

"blind checks" sind keine blinden Wangen, sondern die Pobacken.

"blind doors" sind Geheim- und nicht "Fall"türen.

"existence was agony of extinction" heißt etwa: "Existenz war Todeskampf des Erlöschens/Auslöschens", und nicht "ich hielt mich für verloren".

"pugilists" sind Boxer, Faustkämpfer, und nicht "Desperados der Feder".

"portraits" sind (geschriebene) Portraits, und nicht "Mitarbeiter".

"dorsal fin of a shark" ist die Rückenfinne, und nicht die "Schwanzflosse" eines Hais.

"bimetallism for Greater Britain" heißt nicht: "Metallegierungsprobleme der Großbritannischen Industrie", sondern war vielmehr ab 1876 die Bezeichnung für eine währungspolitische Diskussion: ob nämlich eine aus den beiden Edelmetallen Gold und Silber bestehende Währung, wobei beider Wert zueinander in feste Relation zu bringen wäre, die verbindliche Währung für alle Territorien sein solle, die sich der britischen Währung anzuschließen gedächten (also etwa Irland, die Kanalinseln, Man oder auch andere Teile des damaligen Empires): des größeren Britannien eben.

Das englische "deep sin" heißt auf Deutsch nicht "tiefer Sinn", sondern "schwere Sünde".

» Übersetzerische Fehlleistungen am Beispiel
    "Der Kopf Caesars"

 

Autor: Hanswilhelm Haefs

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