Father-Brown

 

Übersetzerische Fehlleistungen am Beispiel von
"Die Spitze einer Nadel" und "Das unlösbare Problem"

 

Zu den höheren Kategorien wieder einige Beispiele, die Father Browns Skandal entnommen wurden. Einmal hat Chesterton seine Schreibeigentümlichkeiten hier noch weiter vorangetrieben als in den früheren Bänden; und zum anderen sind die Passagen so einfacher in der hier vorgelegten neuen Übertragung zu kontrollieren:

Passagen aus dem Anfang und dem Ende der Geschicht "Die Spitze einer Nadel" und dem Anfang von "Das unlösbare Problem":

The Point of a Pin
(Original)
Die Spitze einer Nadel
(Übersetzung Rottmann)
Die Spitze einer Nadel
(Übersetzung Hw. Haefs)
Father Brown always declared that he solved this problem in his sleep. And this was true, though in rather an odd fashion; because it occurred at a time when his sleep was rather disturbed. Pater Brown hat später immer behauptet, er habe dieses Problem im Schlaf gelöst. Und das war richtig, freilich in einem eigenen Sinn. Denn das Problem ergab sich, während sein Schlaf eher gestört war. Father Brown hat immer behauptet, dass er dieses Problem im Schlaf gelöst habe. Und das ist richtig, obwohl auf eine reichlich sonderbare Weise; denn es geschah zu einer Zeit, da sein Schlaf reichlich gestört war.
It was disturbed very early in the morning by the hammering that began in the huge building, or half-building, that was in process of erection opposite to his rooms; a colossal pile of flats still mostly covered with scaf-folding and with boards announcing Messrs Swindon & Sand as the builders and owners. The hammering was renewed at regular intervals and was easily recognizable; because Messrs Swindon & Sand specialized in some new American system of cement flooring which, in spite of its subsequent smoothness, solidity, impenetrability and permanent comfort (as described in the advertisements), had to be clamped down at certain points with heavy tools. Sehr früh am Morgen war er durch das Hämmern geweckt worden, das von dem riesigen Gebäude oder eigentlich von dem Neubau gegenüber seiner Wohnung ausging. Eine gewaltige Masse von Stockwerken, zum größten Teil noch eingerüstet, mit Tafeln, auf denen die Firma Swindon & Sand als Erbauer und Besitzer zu lesen war. Das Hämmern wiederholte sich in regelmäßigen Zwischenräumen und war sehr deutlich hörbar. Denn die Firma Swindon & Sand verwendete eine neue amerikanische Art von Fußböden aus Zement, die, mochten sie später noch so glatt, elastisch, solid und dauerhaft sein (wie die Ankündigungen hervorhoben), doch an einzelnen Stellen mit wuchtigen Werkzeugen festgemacht werden mussten. Er wurde sehr früh am Morgen gestört durch das Gehämmere, das in dem großen Gebäude - oder Halbgebäude - begann, welches sich gegenüber seiner Wohnung im Zustand der Errichtung befand; ein riesiger Stapel von Stockwerken, immer noch weitgehend verdeckt von Baugerüsten und Tafeln, die die Herren Swindon & Sand als Erbauer und Eigentümer bekanntgaben. Das Gehämmere wurde in regelmäßigen Abständen erneuert und war leicht zu begreifen: Die Herren Swindon & Sand spezialisierten sich nämlich auf irgendein neues amerikanisches System von Zementfußböden, die - trotz ihrer daraus entstehenden Glätte, Solidität, Undurchlässigkeit und dauerhaften Behaglichkeit (so in den Werbeanzeigen beschrieben) - an bestimmten Stellen doch mit wuchtigem Werkzeug festgeschlagen werden mussten.
Father Brown endeavoured, however, to extract exiguous comfort from it; saying that it always woke him up in time for the very earliest Mass, and was therefore something almost in the nature of a carillon. After all, he said, it was almost as poetic that Christians should be awakened by hammers as by bells. As a fact, however, the building operations were a little on his nerves, for another reason. For there was hanging like a cloud over the half-built skyscraper the possibility of a Labour crisis, which the news papers doggedly insisted on describing as a Strike. As a matter of fact, if ever it happened, it would be a Lock-out. But he worried a good deal about whether it would happen. And it might be questioned whether hammering is more of a strain on the attention because it may go on for ever, or because it may stop at any minute. [...] Es gelang Pater Brown jedoch, die Störung als einen Vorteil zu betrachten, indem er sich auf den Standpunkt stellte, sie wecke ihn gerade zur rechten Zeit für die allererste Frühmesse und sei also beinahe etwas wie ein Glockenspiel. Dass Christenmenschen durch Hämmern geweckt würden, sei fast ebenso poetisch, als wenn das durch Glockengeläute geschähe. Alles in allem fielen ihm aber die Arbeiten am Neubau doch ein wenig auf die Nerven, wenn auch aus einem andern Grunde. Denn über dem erst halbfertigen Wolkenkratzer hing wie eine Wolke die Möglichkeit einer Arbeitskrise, die die Zeitungen hartnäckig als Streik bezeichneten, während sie tatsächlich, wenn es je zu ihr käme, nichts anderes sein würde als eine Aussperrung. Und es ist die Frage, ob Hämmern mehr auf die Nerven geht, weil es nie oder weil es in derselben Minute aufhören wird. [...] Father Brown gelang es jedoch, daraus einen bescheidenen Trost zu ziehen, und sagte, es wecke ihn immer rechtzeitig für die früheste Frühmesse und sei daher fast etwas von der Art eines Glockenspiels. Denn schließlich, sagte er, sei es für Christenmenschen fast ebenso poetisch, durch Hämmer wie durch Glocken aufgeweckt zu werden. Tatsache ist aber, dass ihm die Bauarbeiten dennoch etwas auf die Nerven gingen, wenngleich aus einem anderen Grund. Denn über dem halbfertigen Wolkenkratzer hing wie eine Wolke die Möglichkeit einer Arbeitskrise, die die Zeitungen hartnäckig als Streik zu bezeichnen beliebten. Tatsächlich aber würde es, wenn es denn je dazu kommen sollte, eine Aussperrung sein. Aber er sorgte sich sehr darum, ob es denn wirklich eintreten würde. Und es mag fraglich sein, ob Gehämmere mehr an den Nerven zerrt, weil es für ewig andauern oder weil es jeden Augenblick aufhören könnte.[...]
Father Brown faced round as the detective entered the room; he stood staring at the hearthrug and repeated: "On the spot." Pater Brown wandte sich um, gerade als der Detektiv das Zimmer betrat. Er senkte den Blick zu Boden und wiederholte: "An Ort und Stelle." Father Brown blickte sich um, als der Detektiv den Raum betrat; er stand da und starrte auf den Kaminvorleger und wiederholte: "An Ort und Stelle."
"Mr. Jackson will tell you", said Stanes, "that Sir Hubert commissioned him to find out who was the thief robbing the firm; and he brought a note of his discoveries the day before old Hubert disappeared." "Mr. Jackson wird Ihnen sagen", sprach Stanes, "dass Sir Hubert ihn beauftragt hat herauszufinden, wer die Unterschleife in der Firma begehe. Er brachte ihm seinen Bericht am Tage, bevor Sir Hubert verschwand." "Mr. Jackson wird Ihnen berichten", sagte Stanes, "dass Sir Hubert ihn beauftragt hatte herauszufinden, wer der Dieb war, der die Firma beraubte; und er brachte ihm eine Notiz über seine Entdeckungen am Tag, bevor der alte Hubert verschwand."
"Yes", said Father Brown, "and I know now where he disappeared to. I know where the body is." "Ja", sagte Pater Brown, "und ich weiß jetzt, wohin er verschwand. Ich weiß, wo die Leiche ist." "Ja", sagte Father Brown, "und jetzt weiß ich auch, wohin er verschwunden ist. Ich weiß jetzt, wo seine Leiche ist."
"Do you mean -?" began his host hastily. "Sie meinen - - -", begann der Hausherr hastig. "Wollen Sie damit sagen ...?" begann sein Gastgeber hastig.
"It is here", said Father Brown, and stamped on the hearthrug. "Here, under the elegant Persian rug in this cosy and comfortable room." "Hier ist sie", sagte Pater Brown und stampfte mit dem Fuß auf den Kaminteppich. "Hier unter diesem kostbaren Perserteppich in diesem behaglich eingerichteten Zimmer." "Sie ist hier", sagte Father Brown und stampfte auf den Kaminvorleger. "Hier, unter diesem eleganten Perserteppich, in diesem behaglichen und bequemen Raum."
"Where in the world did you find that?" "Wie in aller Welt sind Sie darauf gekommen?" "Wie in aller Welt haben Sie denn das herausgefunden?"
"I've just remembered", said Father Brown, "that I found it in my sleep." "Es fiel mir gerade ein", sagte Pater Brown, "dass ich im Schlaf darauf gekommen bin." "Ich habe mich gerade daran erinnert", sagte Father Brown, "dass ich das in meinem Schlaf gefunden habe."
He closed his eyes as if trying to picture a dream, and went on dreamily: Er schloss die Augen, wie um sich einen Traum in Erinnerung zu rufen, und fuhr träumerisch fort: Er schloss die Augen, als versuche er, sich einen Traum vorzustellen, und fuhr träumerisch fort:
"This is a murder story turning on the problem of How to Hide the Body; and I found it in my sleep. I was always woken up every morning by hammering from this building. On that morning I halfwoke up, went to sleep again and woke once more, expecting to find it late; but it wasn't. Why? Because there had been hammering that morning, though all the usual work had stopped; short, hurried hammering in the small hours before dawn. "Dieser Mordfall dreht sich um das Problem: Wie verstecke ich die Leiche? Und ich löste es im Schlaf. Jeden Morgen weckte mich das Hämmern von dem Neubau. An jenem Morgen erwachte ich halb, schlief wieder ein und hatte, als ich abermals erwachte, das Gefühl, dass es spät sein müsse. Das stimmte aber nicht. Wieso? Weil an jenem Morgen gehämmert worden war, obwohl die normale Arbeit bereits ruhte. Kurzes, hastiges Hämmern in den ersten Morgenstunden vor der Dämmerung. "Das ist eine Mordgeschichte, die sich um die Frage dreht: Wie verstecke ich die Leiche? Und ich habe sie in meinem Schlaf gefunden. Ich wurde jeden Morgen vom Gehämmere aus diesem Gebäude aufgeweckt. An jenem Morgen wachte ich nur halb auf, schlief wieder ein und erwachte erneut in der Annahme, es sei schon spät; aber das war es nicht. Warum? Weil es an jenem Morgen Gehämmere gegeben hatte, obwohl die ganze übliche Arbeit eingestellt worden war; kurzes eiliges Gehämmere in den frühen Morgenstunden gerade vor Tagesanbruch.
Automatically a man sleeping stirs at such a familiar sound. But he goes to sleep again, because the usual sound is not at the usual hour. Now why did a certain secret criminal want all the work to cease suddenly; and only new workers come in? Because, if the old workers had come in next day, they would have found a new piece of work done in the night. The old workers would have known where they left off; and they would have found the whole flooring of this room already nailed down. Nailed down by a man who knew how to do it; having mixed a good deal with the workmen and learned their ways." Ein Schlafender wird automatisch unruhig bei diesem gewohnten Geräusch. Er schläft aber wieder ein, weil das gewohnte Geräusch nicht zur gewohnten Stunde erfolgt. Warum aber wollte ein gewisser Verbrecher, dass alle Arbeit plötzlich stillstehen solle? Und dass mit neuen Leuten weitergearbeitet werden solle? Weil die alten Arbeiter am nächsten Tag bemerkt hätten, dass über Nacht weitergearbeitet worden war. Die alten Arbeiter hätten gewusst, wo sie am Abend vorher aufgehört hatten. Am nächsten Morgen hätten sie gefunden, dass der ganze Fußboden in diesem Raum bereits festgenagelt war. Und zwar von jemandem, der die Arbeit verstand, weil er sie von ihnen gelernt hatte." Ein schlafender Mensch rührt sich bei solch vertrautem Geräusch automatisch. Aber er schläft wieder ein, weil das übliche Geräusch nicht zur üblichen Stunde stattfindet. Warum wollte nun ein bestimmter geheimer Verbrecher, dass die gesamte Arbeit plötzlich eingestellt würde; und nur neue Arbeiter übernähmen? Weil die alten Arbeiter, wären sie am nächsten Tag hereingekommen, festgestellt hätten, dass während der Nacht ein neues Stück Arbeit getan worden war. Die alten Arbeiter hätten gewusst, wo sie aufgehört hatten; und sie hätten den ganzen Fußboden dieses Raumes bereits festgehämmert vorgefunden. Festgehämmert von einem Mann, der wusste, wie man das tut; nachdem er sich oft genug unter die Arbeiter gemischt und ihre Verfahren gelernt hatte."
As he spoke, the door was pushed open and a head poked in with a thrusting motion; a small head at the end of a thick neck and a face that blinked at them through glasses. Während er sprach, öffnete sich die Tür, und ein kleiner Kopf auf einem gedrungenen Hals schob sich durch den Spalt. Augen, die hinter Gläsern blinzelten, spähten herein. Während er redete, wurde die Tür aufgestoßen und ein Kopf mit einer stoßenden Bewegung hereingesteckt; ein kleiner Kopf auf einem dicken Hals und ein Gesicht, das sie durch Gläser anblinzelte.
"Henry Sand said", observed Father Brown, staring at the ceiling, "that he was no good at hiding things. But I think he did himself an injustice." "Henry Sand sagte, dass er kein Talent hätte, etwas zu verbergen", sagte Pater Brown und richtete den Blick zur Decke. "Ich glaube, er unterschätzt sich." "Henry Sand sagte", bemerkte Father Brown und starrte auf die Decke, "dass er sich nicht dazu eigne, Dinge geheim zu halten. Aber ich glaube, da war er ungerecht gegen sich selbst."
Henry Sand turned and moved swiftly away down the corridor. Henry Sand wandte sich um und ging raschen Schrittes den Gang hinunter. Henry Sand drehte sich um und bewegte sich rasch den Korridor hinab.
"He not only hid his thefts from the firm quite successfully for years", went on the priest with an air of abstraction, "but when his uncle discovered them, he hid his uncle's corpse in an entirely new and original manner." "Er hat nicht nur seine Unterschlagungen durch Jahre verborgen gehalten", fuhr der Priester mit abwesender Miene fort, "sondern auch, als ihm der Onkel daraufkam, die Leiche dieses Onkels auf eine gänzlich neue und originelle Art versteckt." "Er hat nicht nur jahrelang seine Unterschlagungen ziemlich erfolgreich vor seinem Onkel geheim gehalten", fuhr der Priester mit abwesender Miene fort, "sondern hat auch, als sein Onkel sie entdeckte, seines Onkels Leiche auf eine vollkommen neue und originelle Weise versteckt."
At the same instant Stanes again rang a bell, with a long strident steady ringing; and the little man with the glass eye was propelled or shot along the corridor after the fugitive, with something of the rotatory motion of a mechanical figure in a zoetrope. In diesem Augenblick ergriff Lord Stanes neuerlich die Glocke und läutete heftig. Der kleine Mann mit dem Glasauge setzte sich in Bewegung und lief wie eine aufgezogene Spielzeugfigur den Korridor entlang, hinter dem Flüchtenden her. Im gleichen Augenblick läutete Stanes erneut eine Glocke mit einem langen schrillen stetigen Klingeln; und der kleine Mann mit dem Glasauge schoss geradezu durch den Korridor hinter dem Fliehenden her, mit ähnlich rotierenden Bewegungen wie die einer mechanischen Gestalt in einem Stroboskop.
At the same moment, Father Brown looked out of the window, leaning over a small balcony, and saw five or six men start from behind bushes and railings in the street below and spread out equally mechanically like a fan or net; opening out after the fugitive who had shot like a bullet out of the front door. Pater Brown trat ans Fenster und sah auf der Straße fünf bis sechs Männer, die aus verschiedenen Verstecken hervorkamen und ebenfalls hinter dem Flüchtling, der soeben aus der Haustür herausgestürzt war, herzulaufen begannen. Im gleichen Augenblick schaute Father Brown aus dem Fenster, wozu er sich über einen kleinen Balkon lehnte, und erblickte fünf oder sechs Männer, die unten in der Straße hinter Büschen und Zäunen hervorkamen und sich gleichermaßen mechanisch wie ein Fächer oder ein Netz ausbreiteten, das sich zu dem Fliehenden hin öffnete, der wie eine Kugel aus der Vordertür herausgeschossen war.
Father Brown saw only the pattern of the story; which had never strayed from that room; where Henry had strangled Hubert and hid his body under impenetrable flooring, stopping the whole work on the building to do it. A pinprick had started his own suspicions; but only to tell him he had been led down the long loop of a lie. The point of the pin was that it was pointless. [...] Für Pater Brown ordneten sich die Fäden zum Muster. Hier in diesem Zimmer hatte Henry seinen Onkel ermordet und seine Leiche unter dem Patentfußboden versteckt, nachdem er zu diesem Zweck die Arbeit am Bau zum Stillstand gebracht hatte. Die Spitze einer Nadel hatte Pater Browns Verdacht erweckt und ihm gezeigt, dass er die falsche Spur verfolge. [...] Father Brown sah nur das Muster der Geschichte, die sich niemals aus diesem Raum entfernt hatte; wo Henry Hubert erwürgt und seine Leiche unter dem undurchlässigen Fußboden versteckt und dafür die ganze Arbeit an dem Gebäude aufgehalten hatte. Eine Nadelspitze hatte sein eigenes Misstrauen erweckt; aber nur, um ihm zu sagen, dass man ihn die lange Schlinge einer Lüge hinab geleitet hatte. Die spitze Pointe der Nadel war, dass sie keine Pointe hatte. [...]
 
The Insoluble Problem
(Original)
Das unlösbare Problem
(Übersetzung Rottmann)
Das unlösbare Problem
(Übersetzung Hw. Haefs)
This queer incident, in some ways perhaps the queerest of the many that came his way, happened to Father Brown at the time when his French friend Flambeau had retired from the profession of crime and had entered with great energy and success on the profession of crime investigator. It happened that both as a thief and a thief-taker, Flambeau had rather specialized in the matter of jewel thefts, on which he was admitted to be an expert, both in the matter of identifying jewels and the equally practical matter of identifying jewel-thieves. And it was in connection with his special knowledge of this subject, and a special commission which it had won for him, that he rang up his friend the priest on the particular morning on which this story begins. [...] Das seltsame Ereignis, in mancher Beziehung vielleicht das seltsamste, das Pater Brown je erlebt hatte, trug sich zu der Zeit zu, als sein französischer Freund den Beruf eines Verbrechers aufgegeben und sich mit viel Eifer und Erfolg dem der Aufdeckung von Verbrechen zugewendet hatte. Zufällig hatte sich Flambeau als Dieb wie als Detektiv einigermaßen auf Schmuckdiebstahl spezialisiert. Er konnte als Sachverständiger gelten, sowohl wenn es sich darum handelte, Juwelen zu schätzen, wie auch, und das war nicht von geringerer praktischer Bedeutung, Juwelendiebe zu entlarven. Und im Zusammenhang mit seinen besonderen Kenntnissen auf diesem Gebiet und mit einem Auftrag, den er ihnen verdankte, rief er seinen Freund, den Priester, an eben jenem Morgen an, an dem diese Geschichte beginnt. [...] Dieser eigenartige Vorfall, in mancher Hinsicht vielleicht der eigenartigste der vielen, die ihm begegneten, widerfuhr Father Brown in jener Zeit, da sein französischer Freund Flambeau den Beruf des Verbrechers aufgegeben und mit viel Eifer und Erfolg den Beruf des Verbrechensaufklärers ergriffen hatte. Nun war es so, dass sich Flambeau sowohl als Dieb wie als Diebsfänger ziemlich auf Juwelendiebstähle spezialisiert hatte, wobei er als Fachmann anerkannt war, sowohl in der Frage, Juwelen zu identifizieren, wie in der ebenso praktischen Frage, Juwelendiebe zu identifizieren. Und es geschah im Zusammenhang mit seinen speziellen Kenntnissen auf diesem Gebiet wie auch mit einem Auftrag, den sie ihm eingebracht hatten, dass er an jenem Morgen, an dem diese Geschichte beginnt, seinen Freund, den Priester, anrief. [...]
As they drove along through a densely wooded but sparsely inhabited landscape, in which inns and all other buildings seemed to grow rarer and rarer, the daylight began to take on the character of a stormy twilight even in the heat of noon; and dark purple clouds gathered over the dark grey forests. As is common under the lurid quietude of that kind of light, what colour there was in the landscape gained a sort of secretive glow which is not found in objects under the full sunlight; and ragged red leaves or golden or orange fungi seemed to burn with a dark fire of their own. Under such a half-light they came to a break in the woods like a great rent in a grey wall, and saw beyond, standing above the gap, the tall and rather outlandish-looking inn that bore the name of the Green Dragon. [...] Als sie durch die waldreiche, wenig besiedelte Landschaft fuhren, in der Häuser und Gasthöfe immer seltener wurden, begann das Tageslicht seltsam fahl zu werden, als ob die Dämmerung hereinbrechen wollte, obwohl es erst Mittag war. Dunkelviolette Wetterwolken ballten sich am Himmel zusammen. Von der fast schwarzen Wand der Wälder hoben sich die Farben leuchtender ab als bei Sonnenschein. Alle Dinge schienen von innen zu glühen; zackige rote Blätter und goldgelbe und orangefarbene Pilze brannten in dunklem Feuer. Endlich öffnete sich, wie ein Riss in einer schwarzen Wand, eine Lichtung, an deren Ende das große, etwas fremdartig anmutende Gasthaus "Zum grünen Drachen" lag. [...] Während sie durch eine dicht bewaldete, aber kaum bewohnte Landschaft fuhren, in der Gasthäuser und andere Gebäude seltener und seltener zu werden schienen, begann das Tageslicht in der Mittagshitze den Charakter eines stürmischen Zwielichts anzunehmen; und dunkelpurpurne Wolken sammelten sich über den dunkelgrauen Wäldern. Und wie das gewöhnlich in der fahlen Ruhe dieser Art von Licht geschieht, gewannen alle Farben in der Landschaft eine Art geheimnisvollen Glühens, das man bei Objekten im vollen Sonnenschein nicht findet; und zackige rote Blätter oder goldene oder orangene Pilze schienen in einem dunklen Feuer aus sich heraus zu brennen. In solchem Halblicht kamen sie zu einer Waldlichtung wie ein großer Riss in einer grauen Mauer und sahen hinter ihr und oberhalb der Lücke das große und ziemlich fremdartige Gasthaus, das den Namen "Grüner Drache" trug. [...]
Strangely enough, the man seemed to have a certain ability of politeness, when once he did move; even if it suggested the wooden joints of a courtly step-ladder or an obsequious towel-horse. Both Flambeau and Father Brown felt that they had hardly ever clapped eyes on a man who was so difficult to place. He was not what is called a gentleman; yet he had something of the dusty refinement of a scholar; there was something faintly disreputable or déclassé about him; and yet the smell of him was rather bookish than Bohemian. He was thin and pale, with a pointed nose and a dark pointed beard; his brow was bald, but his hair behind long and lank and stringy; and the expression of his eyes was almost entirely masked by a pair of blue spectales. Merkwürdigerweise schien er jedoch ganz anständige Manieren zu haben, sobald er einmal aus seiner Starre erwacht war, wenn auch seine Bewegungen die Grazie einer hölzernen Leiter oder eines altmodischen Handtuchhalters hatten. Weder Pater Brown noch Flambeau hatten jemals einen Menschen gesehen, der so schwer einzuordnen war. Er war nicht das, was man einen Herrn nennt, machte aber doch den Eindruck eines gebildeten Menschen. Es war etwas Herabgekommenes und Deklassiertes an ihm und doch erinnerte er eher an einen Gelehrten als an einen Bohemien. Sein Gesicht war mager und blass, mit spitzer Nase und einem dunklen Spitzbart. Er hatte eine kahle Stirn, aber das Haar am Hinterkopf war lang, glatt und strähnig. Seine Augen waren hinter einer blauen Brille versteckt. Merkwürdigerweise schien der Mann eine gewisse höfliche Behendigkeit zu besitzen, sobald er sich einmal bewegte, selbst wenn sie an die hölzernen Scharniere einer höfischen Trittleiter oder eines unterwürfigen Handtuchhalters erinnerte. Sowohl Flambeau wie Father Brown fühlten, dass sie kaum je zuvor einem Mann begegnet waren, der so schwierig einzuordnen war. Er war nicht, was man einen Gentleman nennt; doch besaß er etwas von der staubigen Verfeinerung eines Gelehrten; da war etwas leicht Anrüchiges oder déclassé um ihn; und doch roch er eher nach Büchern als nach Bohème. Er war dünn und bleich, mit einer spitzen Nase und einem dunklen Spitzbart, er hatte eine kahle Stirn, aber hinten waren seine Haare lang und glatt und strähnig, und der Ausdruck seiner Augen wurde fast vollständig von einer blauen Brille verborgen.
Father Brown felt that he had met something of the sort somewhere, and a long time ago; but he could no longer put a name to it. The lumber he sat among was largely literary lumber; especially bundles of seventeenthcentury pamphlets. [...] Pater Brown fühlte dunkel, dass er einem ganz ähnlichen Menschen vor langer Zeit irgendwo begegnet war, aber er wusste nicht mehr, wann und wo. Der Kram, der herumlag, war hauptsächlich literarischer Natur. Es waren größtenteils Stöße von Flugschriften aus dem siebzehnten Jahrhundert. [...] Father Brown fühlte, dass er irgendetwas dieser Art schon irgendwo und vor langer Zeit getroffen hatte; aber er konnte dem inzwischen keinen Namen mehr beilegen. Das Gerümpel, darinnen er saß, war zum größten Teil literarisches Gerümpel; vor allem Bündel von Flugschriften aus dem 17. Jahrhundert. [...]

Überfliegt man die Beispiele, so fällt als erstes auf, dass G. K. Chesterton hier in ungewöhnlicher und ungewöhnlich häufiger Weise Gebrauch vom Strichpunkt gemacht hat wie von großen Anfangsbuchstaben: das eine offenbar, um das syntaktische Gefüge enger mit dem semantischen zu verzahnen; das andere, um eigentlich normale Redewendungen als sozusagen fest gewordene Begriffe hervorzuheben. Beide Verfahren werden von der Übersetzung nicht berücksichtigt: Das Strichpunkt-Gefüge wird in normale deutsche Sätze aufgelöst, die Großbuchstaben werden nur da berücksichtigt, wo sie im Deutschen sowieso üblich sind.

"rather an odd fashion ... rather disturbed ... disturbed" findet keine deutsche Entsprechung; "easily recognizable: because ..." ist etwas anderes als "deutlich hörbar. Denn ...". "happened ... happen" findet wieder keine Entsprechung, ebenso wenig wie "finished ... fresh ... fairy filigree ... light ... bright ... finishes". Dass an die Stelle der "bourgeois ideologies" der Wienerismus "Burschui-Ideologie" getreten ist, der bis heute blieb, mag hingehen; dass aber "There is a threat to murder" etwas ganz anderes ist als "Es handelt sich um eine gefährliche Drohung", leuchtet wohl unmittelbar ein.

"I found it in my sleep" mag beim Verfahren Floskel um Floskel zulässig sein: Hier aber wird sinnlos eine Argumentationskette gebrochen, die aus Spiegelungen besteht: wie die Leiche in der Wohnung verborgen ist und dort gefunden wird, so hat FB sie in seinem Schlaf gefunden.

Am unverständlichsten aber ist, dass der Schlüsselsatz der ganzen Geschichte, der ihr ja auch ihren Titel gegeben hat - "The point of the pin was that it was pointless" -, überhaupt nicht mehr vorhanden ist.

Der "French friend" allein wäre nicht auffällig, ebenso wenig der "friend Flambeau": der "French friend Flambeau" hingegen ist, gerade weil diese dreifache Alliteration aus einer an sich in den Einzelheiten überflüssigen Reihung eine dramatische Sprachbewegung macht, die ihrerseits wie so viele ähnliche Reihungen Chestertons dramaturgisch keinem erkennbaren Zweck dient, ein durchaus auffälliger Akzent; "als Dieb wie als Detektiv" hält zwar die Alliteration, aber Chesterton hat eben nicht "detective" geschrieben, sondern "thief-taker" = Diebsfänger. Nun mag der Übersetzer der Meinung sein, Chesterton hätte gefälligst das blassere, aber üblichere Wort Detektiv nehmen sollen statt des viel farbigeren Diebsfänger: Jedoch hat der Autor jedes Recht, die Wörter zu wählen, die ihm aus welchem Grund auch immer gefallen - der Übersetzer aber hat kein Recht, die Wahl des Autors zu konterkarieren.

Der 9. Absatz zeigt Chestertons grandiose Fähigkeit, eine geradezu lyrische Landschaftsbeschreibung zu dichten, sie aber gleichzeitig mit all dem Unheimlichen bis zum Platzen zu füllen, das im Alltäglichen erkennen zu können die besondere Begabung Father Browns alias Chestertons ist - wovon die deutsche Variante kaum noch Schatten eines Hauchs enthält.

Und auf andere Weise ist auch der 15. Absatz in der deutschen Fassung grundlos ebenso farblos und harmlos geworden.

 
» Weitere Beispiele aus "Die Verfolgung des Mr. Blue",
    "Die Spitze einer Nadel" und "Das unlösbare Problem"

 

Autor: Hanswilhelm Haefs

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