Das Verhängnis der Darnaways
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Über dem Adelsgeschlecht der Darnaways lastet ein Fluch. Die Ehefrauen des jeweils siebten in der Erbfolge starben keines natürlichen Todes. Doch allen Warnungen zum Trotz will die junge Adelaide den letzten männlichen Erben heiraten. Als dieser kurz nach seiner Rückkehr aus Australien Selbstmord begeht, fühlt sie sich schuldig an seinem Tod. Sie glaubt, er habe dem Fluch zuvorkommen wollen und sich selbst gerichtet.
Das folgende Schweigen wurde durch ein schwaches Rascheln in den
Binsen am Wassergraben gestört; und verständlicherweise fuhren sie
leicht zusammen, als eine dunkle Gestalt schnell und fast wie ein aufgeschreckter
Vogel am Ufer dahinstrich. Aber es war nur ein Mann, der mit
einer schwarzen Tasche in der Hand schnell ausschritt: ein Mann mit
einem langen blassen Gesicht und scharfen Augen, die den Fremden aus
London auf leicht düstere und mißtrauische Weise betrachteten.
»Das ist nur Dr. Barnet«, sagte Wood einigermaßen erleichtert.
»Guten Abend, Doktor. Gehen Sie ins Haus? Ich hoffe, daß niemand
krank ist.«
»In einem solchen Haus ist jeder immer krank«, grummelte der Arzt,
»nur sind sie manchmal zu krank, um es selbst zu merken. Schon die Luft
da drin ist Gifthauch und Pestilenz. Ich beneide den jungen Mann aus
Australien nicht.«
»Und wer«, fragte Payne plötzlich und ziemlich geistesabwesend,
»könnte der junge Mann aus Australien sein?«
»Ah!« schnob der Arzt. »Hat Ihnen Ihr Freund nichts über ihn
erzählt? Soviel ich weiß, kommt er heute an. Roman ganz im alten Stil
des Melodrams: Der Erbe kehrt aus den Kolonien in sein zerfallenes
Schloß zurück, und alles komplett einschließlich eines alten Familienvertrags,
wonach er die Dame zu heiraten hat, die aus dem alten efeubewachsenen
Turm Ausschau hält. Komischer alter Unfug, nicht wahr? Aber es geschieht tatsächlich von Zeit zu Zeit. Er hat sogar ein bißchen
Geld, der einzige Lichtblick, den es in dieser Angelegenheit je gegeben
hat.«<
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Hörprobe (7:47) "Das Verhängnis der Darnaways" aus der Reihe "Father Brown - Das Original" Laden des Audioplayers ...
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Anmerkungen des Übersetzers Hanswilhelm Haefs
"Darnaways"
Im Englischen ist "darn" ein Euphemismus für "damn", also für verfluchen, verdammen. Kombiniert mit "away" = weg, fort mit, ist Chestertons Absicht bei der Namensgebung einmal mehr leicht erkennbar.
"Chelsea"
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Vorort bzw. Stadtteil Londons; da dort 1745/69 farbenprächtig bemaltes Porzellan hergestellt wurde, entwickelte es sich anschließend zum Künstlerviertel der Stadt.
Wikipedia-Artikel: Chelsea (London), Stadtteil von London
Wikipedia-Artikel: Metropolitan Borough of Chelsea, ehemaliger Stadtbezirk von London
"Zeit der Rosenkriege"
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Das normannische Herrscherhaus (1066-1154) der Nachfolger Wilhelms des Eroberers wurde 1154 von dem ihm verschwägerten Haus der Anjou-Plantagenet abgelöst, welches bis 1485 herrschte (Graf Gottfried V. von Anjou, der in 2. Ehe die normannische Erbin Mathilde geheiratet hatte, trug als Helmzier den Ginsterbusch = planta genista = Plantagenet). Zusammen mit dem Großteil des englischen Hochadels ging es in den Rosenkriegen 1455/85 unter, in denen die jüngere Nebenlinie der Plantagenet - das Haus York mit dem Wappen der weißen Rose - die ältere Nebenlinie - das Haus Lancaster (das seit 1399 herrschte) mit dem Wappen der roten Rose - im Kampf um den Thron zu vernichten trachtete, das Haus Lancaster ging 1471 unter, das Haus York herrschte durch Eduard IV. ab 1461 und ging 1485 unter, als Richard III. von Heinrich VII. aus dem Hause Tudor gestürzt wurde (zu diesen Vorgängen vergleiche man die Königsdramen Shakespeares); das Haus Tudor, eine Nebenlinie der Lancaster, herrschte bis 1603; als Jakob I. von Schottland aus dem Hause Stuart Elisabeth I. auf den Thron folgte; den Stuarts folgte 1714-1901 das Haus Hannover, diesem das Haus Sachsen-Coburg-Gotha, das sich seit 1917 Windsor nennt.
"niedriger Torbogen aus der Tudor-Zeit"
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Als Tudor-Stil bezeichnet man in der englischen Kunst den bis zum Regierungsantritt Elisabeths I. 1558 vorherrschenden Stil, den in der Architektur vor allem der flach gewölbte, aber im Scheitel schwach gespitzte Tudor-Bogen auszeichnet.
"Die Dame von Shallot"
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Die Dame von Shallot gehört zu jenen verwunschenen Maiden aus dem Umkreis der Artus-Sage, die ein beliebtes Thema der viktorianischen Zeit waren; "Lady of Shallott" ist der Titel eines Gedichtes von Alfred Lord Tennyson von 1832, das später stark überarbeitet wurde.
"in loco parentis"
Rechtsformel, lateinisch =an Stelle der Eltern (= Vormundschaft).
"Priesterlöcher"
(in Deutschland ist eine Parallelerscheinung auch als "Pfaffenlöcher" bekannt)
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Heinrich VIII. aus dem Hause Tudor ließ 1533 durch den "Act of Appeals" endgültig die rechtliche Bindung der englischen Kirche an Rom aufheben und sie dem englischen Staat integrieren, wobei der Monarch Oberhaupt der Kirche wurde; 1534 ergeht die "Suprematsakte": Dem König als Oberhaupt der Kirche Muss von Geistlichen und Beamten als Anerkennung seiner vollen kirchlichen Oberhoheit der "Suprematseid" geleistet werden, auf dessen Verweigerung die Todesstrafe steht (berühmtestes Opfer Thomas More bzw. Morus), was 1673 durch die "Testakte" erneuert wurde, die 1688 durch den katholischen König Jakob II. aus dem Hause Stuart aufgehoben wird. Während dieser Zeit richteten vor allem Adlige, aber auch wohlhabende Bürgerliche, die aus religiösen oder politischen Gründen gegen Supremats- und Testakte waren, in ihren Schlössern bzw. Häusern Verstecke für katholische Geistliche ein, die den Eid verweigerten und weiterhin als katholische Priester im Untergrund fungierten: die "priest's holes" = Priesterlöcher. Sie spielen in der romantischen englischen Literatur eine bedeutende Rolle.
"Holbein"
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Gemeint ist Hans Holbein der Jüngere (1497-1543), Sohn von Hans Holbein dem Älteren (1465-1524); Hans H. d. J. ließ sich 1532 in London nieder, wurde 1536 Hofmaler Heinrichs VIII. und gilt als letzter der großen altdeutschen Maler, der jedoch die Formen der Renaissance bereits mühelos aufnahm, die dem aus der Gotik stammenden Dürer noch so große Schwierigkeiten machten.
"Heinrich VII."
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Heinrich VII herrschte 1485/1509 als erster Tudor-König, Heinrich VIII. (sein Sohn) als zweiter 1509/1547 (ihnen folgten Eduard VI. bis 1553, Maria I. - die Katholische, die Blutige - bis 1558, Elisabeth l. als letzte des Hauses bis 1603).
"die Georges"
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Die Georges sind die ersten vier Könige aus dem Haus Hannover: Georg I. Ludwig 1714/1727, Georg II. August 1727/1770, Georg III. Wilhelm Friedrich 1760/1820 (ab 1811 unheilbar erkrankt), Georg IV. August Friedrich 1820/1830 (ihnen folgten Wilhelm IV. Heinrich bis 1837 und Alexandrine Viktoria als letzte des Hauses bis 1901).
Wikipedia-Artikel: Georg I. (Großbritannien)
Wikipedia-Artikel: Georg II. (Großbritannien)
"requiescat in pace"
lateinischer Segensspruch über Gestorbene = er/sie/es ruhe in Frieden.
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